Hallo Klaus, hallo in die Runde,
so niederschmetternd die aktuelle Schadensbilanz aussehen mag, so mutmachend finde ich den Beitrag von Andreas (Goldwinger PI). Und möchte deshalb gern in das
gleiche Horn stoßen.
Ein individuell umgebautes Motorrad wird grundsätzlich etwas schwierig zu verkaufen sein - sei es defekt oder heile. Denn was der eine mag und liebt, findet der andere womö
glich unschön oder grauslig. Insofern wäre allein die Treue, mit der Du bei Deinem "persönlichen Bock" bleiben kannst, für mich ein Grund, Deine Maschine doch wieder herzurichten.
Die alten Mopeds, an denen ich schraube, sind mir jedenfalls bisher immer im Lauf der Zeit "ans Herz gewachsen". Allmählich habe ich dann auch alle ihre Wehwehchen "adoptiert": Immer, wenn ich auf eine Bastel-Sünde der Vorbesitzer gestoßen bin, habe ich zwar zuerst gegrummelt. Aber dann die Sache doch angepackt, nach dem Motto: "
Das arme Möppi braucht einfach einen echten Moped-Flüsterer, der es mit Geduld und Sachverstand instandsetzt."
Aber allein mit sentimentalen Gedanken kommen wir nicht weiter. Deshalb mal ein nüchterner Blick auf die Liste der Probleme und Defekte.
- "Laufleistung 189 tkm." Tja, da geht's schon los... Zwar sagt man: "Eine Goldwing schafft so etwas locker, selbst 300-400 tkm sind machbar". Stimmt ja sogar. Aber zwischendurch muß sie eben immer mal wieder bespaßt werden mit Verschleißteilen (Reifen, Öle, Bremsen, Batterien, ...). Und nach knapp 200 tkm eben auch mit "Verschleißteilen zweiter Ordnung" (Kupplung, Lima, Zahnriemen, Auspuff...). Es ist ähnlich wie bei einem Auto nach dieser Laufleistung: Steckst Du bei 200 tkm einmal richtig Geld hinein, dann verleihst Du dem Wagen wieder ein neues Leben. Denn alle Teile, die auf eine Lebensdauer in Höhe des halben Autolebens ausgelegt sind, werden dann erneuert und halten somit wiederum 20 Jahre...
- "Kupplung defekt": Dürfte nach der Laufleistung ein normaler Verschleiß sein.
- "Lima defekt": Sehe ich nach der Laufleistung ebenfalls als normal an. (Ist ja oft schon nach 60-90 tkm fällig.) Ist sehr einfach zu wechseln. Die Honda-Qualität ist zwar nicht billig (ca. 400 €), aber über jeden Zweifel erhaben. Alternativ könnte man die Lima überholen (reinigen, neue Schleifkohlen einsetzen und evtl. neue Lager).
- "Endtöpfe durch." Leider ebenfalls normale Verschleißteile...
- "Antriebsstrang macht Geräusche." Immerhin: Die Ruckdämpfer sind ja jetzt bereits erneuert. Was wir aus dem Antriebsbereich allerdings noch nicht durchhaben, sind das Kardangelenk und die hinteren Radlager. Radlager wären Verschleißteile. (Knubbelnde Radlager kann man sehr einfach erfühlen. Austausch -> Ruhe für die nächsten 189 tkm). Und ein Kardanantrieb wäre gebraucht für 250-300 € zu haben. Man sollte also diesem Geräusch Teil für Teil auf die Schliche kommen können.
- "Motor läuft nur auf fünf Töpfen, weil ein Zylinder kaum Kompression hat." Die Ursachen für Kompressionsmangel können schlicht sein: Zündkerzengewinde beschädigt (pfeift durch), Kolbenringe verschlissen/gebrochen, Zylinderkopfdichtung undicht, Ventilsitz undicht. Alle diese Ursachen kann man "in einem Rutsch" prüfen, indem man an der betreffenden Zylinderbank den Kopf abnimmt.
- "Zahnriemen fällig." Ebenfalls Verschleißteil nach der Laufleistung. Und beim Runternehmen des Kopfes ist es kein Zusatzaufwand, die beiden Riemen zu wechseln.
- "Getriebe macht Geräusche." Das wäre in der Tat der finanzielle Volltreffer. Denn wenn es der "übliche" Getriebeschaden der GL1500 ist (4. Gang hüpft raus infolge verschlissener Schaltgabeln und Zahnräder), dann werden (mit Motor-Zerlegung usw.) ca. 3.000-3.500 € fällig. Binsenweisheit: Früher oder später ist jede GL1500 gefährdet, diesen Schaden zu bekommen. Du wärst also auch beim Eintausch gegen ein anderes GL1500-Exemplar nicht gefeilt gegen einen solchen Schaden. Und das Schöne an dem Getriebeschaden: Man muß dann eh alle anderen oben genannten Teile demontieren. Man kann also dann alles gleich in einem Abwasch mit erledigen ;-).
Wenn Du nicht alles in Eigenarbeit reparieren willst, so würde ich an Deiner Stelle bei den vermeintlich "größten Kloppern" unter den Defekten beginnen: Suche einen mit der Goldwing vertrauten Profi-Schrauber auf und frage ihn als erstes nach der Motor-Kompression und den Laufgeräuschen aus Motor bzw. Antriebsstrang. Falls dann schon ein wirtschaftlicher Totalschaden erkennbar wird, hast Du eine klare Entscheidungsgrundlage. Neben Fuchs könnte ich Rainer Holz sehr empfehlen ("Motorradgarage 2000" in Marl-Sinsen) sowie Peter Bleeker von "Wingchrome.de". Peter ist zwar im hohen Norden beheimatet, aber fährt ja mit seinem mobilen Shop viel auf Treffen. Wenn er gerade mal im Frankfurter Raum ist (oder auf der Durchreise), so könntet Ihr Euch vielleicht verabreden. Ich könnte mir auch vorstellen, daß sich die Profi-Schrauber eine Wing wie die Deine gern als "Winter-Arbeit" vorknöpfen: Denn dann haben sie Muße, den Dingen Schritt für Schritt auf den Grund zu gehen. Und sind froh um die Werkstatt-Auslastung.
Nun noch ein Wort zum Preis. Angenommen, die 3.300 € lassen sich nicht erzielen. Sondern nur 1.500-2000 €. Dann würde ich mich fragen: "
Bekomme ich für dieses Geld eine andere Maschine, die ich so gut kenne wie meine und die besser läuft bzw. einfacher zu reparieren ist?" Falls nein, so ist die Sache kar: Zähne zusammenbeißen und den eigenen Hobel reparieren...
Abschließend möchte ich die Worte von Andreas unterstreichen: Die technischen Probleme lassen sich Stück für Stück angehen. Jeder einzelne Teilschritt ist ein Schritt nach vorn. Und jeder Teilerfolg wird das Möppi mehr zu
Deinem eigenen Motorrad machen. Der Fahrspaß, der sich aus der Befriedigung darüber ergibt, ist mit Geld nicht zu kaufen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, die wir zuweilen "mit unserem Projekt kämpfen", viel Geduld, Unverdrossenheit - und schließlich viel Erfolg!
Wingerjack