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Hallo AWO, hallo all Ihr gespannten Mitleser,
erst mal Hut ab für Deine Idee, mit dem Gespann eine solch lange Reise durch die Kälte zu unternehmen. Da ich auch ein 15er Gespann fahre, kann ich mir das Fahren als solches zwar sehr spaßig vorstellen (Driften auf Schnee usw.). Ganz frostig zumute wird mir aber bei dem Gedanken, daß man ja auch in den Ruhepausen (abends im Zelt oder in einer Hytte) ebenfalls vor sich hinbibbert. Jedenfalls so lange, bis man endlich den Hobel abgepackt und das Lagerfeuer zum Knistern gebracht hat.
Damit Dein Norwegen-Vorhaben gleichwohl möglichst gut klappt, will ich hier meine jüngsten Winter-Erfahrungen mit dem 15er-Gespann berichten.
Anspringen:
Es ist ja hier im Forum schon erwähnt worden, daß die 15er zuweilen ein gar "lustiges" Startverhalten hat: Bei mittelmäßig geladener Batterie zwingt der große Anlasser-Strom die Batterie so sehr in die Knie, daß nicht ausreichend Strom zum Zünden vorhanden ist. Folge: Erst, wenn man den Starterknopf losläßt, macht der Motor seine ersten Huster. Wer das nicht weiß, orgelt die Batterie leer, obwohl der Motor durchaus "kurz vor dem Anspringen gewesen wäre".
Auch eine größere (Auto-)Batterie erscheint mir von daher als gute Idee. Im Beiwagen ist ja auch mehr Platz dafür vorhanden als auf einer Solomaschine. Interessant (obgleich teuer) wäre ferner eine Gel-Batterie, weil sie einen deutlich höheren Anlasserstrom liefern kann.
Startknopf:
Das oben empfohlene "Kurz-Starten" ist gar nicht so einfach. Denn als ich jüngst bei Frostgraden mein (Laternenparker-)Gespann anwerfen wollte, blieb der Startknopf leider in gedrückter Stellung stecken (!). Ich mußte ihn regelrecht mit den Fingernägeln aus seiner "Ein"-Stellung herausknibbeln, damit der Anlasser endlich aufhörte zu orgeln. Üblicherweise hat man ja aber die Flossen dann schon in den Handschuhen, und während man die Gashand wieder herausnestelt, entrinnen der Batterie wertvolle "Strom-Sekunden"...
Tankverschluß-Klappe:
Nachdem meine Mühle dann also nach dieser unverhofften "Startknopf-Actionshow" endlich lief, bin ich erst mal zur Tanke. Dort das nächste Malheur: Verschlußklappen-Schloß eingefroren! Zum Kaufen von Türschloß-Enteiser war ich zu stur und geizig. Also eifrig an Schloß und Schlüssel herumgehaucht und nach fünf Minuten geduldigen Fummelns die Klappe endlich aufbekommen. Fazit: Schloß rechtzeitig gegen Eindringen von Wasser schützen (Feinmechanik-Öl hinein). Und für alle Fälle einen Ersatz-Zündschlüssel mitnehmen, falls der Erst-Schlüssel abbricht.
Topcase-Schloß und Schloß am Beiwagen-Kofferraum:
Auch hierfür empfiehlt sich das gleiche wie für das Tankklappen-Schloß: Vorbeugen gegen eindringende Feuchtigkeit, sonst kommt man nicht mehr an die "lebenswichtigen" Preziosen (Socken, Penntüte) in den Gepäckbehältern.
Und noch mal der Startknopf:
Jawoll, denn meine Mühle verstand es neulich, mich an der Tanke wirklich variantenreich zu unterhalten. Nachdem ich das mit dem Startknopf ja nun schon wußte, habe ich sie nach dem Tanken mit "nackter Gashand" angeworfen und dann gleich mit dem Fingernagel den Startknopf wieder rausgeschnipst. Dumm nur, daß ich dann an der engen Tanke erst mal ein bißchen rückwärts rangieren mußte. Also: Rückwärtsgang-Hebel eingelegt, dann auf den Rückwärts-(=Start-)Knopf gedrückt...
Alles bestens soweit. Aber dann: Auch, nachdem ich den Startknopf losgelassen hatte, fuhr die Fuhre einfach immer weiter rückwärts! Logisch, denn der Startknopf klemmte ja erneut... (Merke: Eine Honda ist zuverlässig!)
Eine "sehr reizvolle" Multitasking-Aufgabe war es nun, bei weiter rollendem Gespann den Handschuh auszuzuppeln und den Startknopf wiederum per Fingernagel zum Rausschnipsen zu bewegen. Und bei alledem noch den Anblick der schreckgeweiteten Augen des Hintermanns zu verarbeiten. Da bekommt doch der Begriff "Winter-Abenteuer" ganz neue Bedeutungs-Facetten...
Mein Resümee: Alle mechanischen Teile (auch Kleinteile) müssen gut gangbar sein. Das betrifft auch Starter- und evtl. Blinkerknöpfe (Die Rückholfedern schaffen es nicht, den erhöhten Widerstand einer Eiskruste zu überwinden) sowie alle Bowdenzüge (für Gasgriff, Choke, Rückwärtsganghebel und Beiwagen-Kofferraumklappe).
Motor-Laufverhalten in kaltem Zustand:
Bei (feucht-)kaltem Wetter hat meine 15er leider die unschöne Angewohnheit, auf den ersten Kilometern noch nicht ganz rund zu laufen. Beim Beschleunigen ist das soweit kein Problem - da säuselt sie wie immer. Aber bei Konstantfahrt (Stadtverkehr mit 50 im 5. Gang) schüttelt und verschluckt sie sich doch anfangs noch sehr. Dieses "Anfangs" zieht sich leider zuweilen bis zu 10-12 Kilometern hin.
Bei einem Norwegen-Trip dürfte das alles in verstärkter Form auftreten. Von daher würde ich im Hinblick auf die arktischen Nachttemperaturen gleich von vornherein etwas dünneres Öl einfüllen (mineralisch, sonst Kupplungsprobleme) und einen Satz Zündkerzen mit angepaßtem Wärmewert reinschrauben, die den Motor auch im kalten Zustand schon rundlaufen lassen.
In diesem Sinne wünsche ich Dir, lieber AWO, und allen Deinen Mitsteitern viel Freude bei der Vorbereitung und dann eine gute Fahrt und einzigartige Reiseeindrücke!
Wingerjack
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